Viele Menschen können sich nicht vorstellen, zu welcher Leistung ein geschultes Gehör fähig ist und welche technischen Hintergründe bestimmten klanglichen Phänomen zugrunde liegen. Diese neigen daher leicht dazu, anderen Menschen mit weitergehenden Erfahrungen dieselben abzusprechen und ins Reich der Einbildung zu verweisen.
Ihrer Meinung nach gibt es z.B. keine klanglichen Unterschiede bei Hifi-Anlagen und schon gar nicht eine Notwendigkeit für hochqualitative und dann entsprechend auch hochpreisige Komponenten.
Wir und Sie wissen, daß dies Unsinn ist.
Klangunterschiede bei Geräten sind immer auf Unzulänglichkeiten durch Nichtwissen des Konstrukteurs, bewußte Designkompromisse, Halbfertig- oder gar Fehlkonstruktionen zurückführen und daher durchaus real.
Es gibt keine perfekten Geräte oder Gerätekombinationen (falls doch, wäre es nett, wenn diese mal hier explizit aufgezählt würden, speziell von denjenigen, die hier gebetsmühlenartig jeden Klangunterschied zwischen bestimmten Komponenten bestreiten wollen).
Solange jeder diese seine Meinung für sich behält, kann jeder denken, was er mag. Kritiker in Ihrem eigenem Umfeld können Sie leicht überzeugen, indem Sie ihn zu sich nach Hause einladen und ihn selbst hören und eigene Erfahrung machen lassen. Damit ist die Angelegenheit dann auch meistens erledigt.
Ärgerlich wird es erst in dem Augenblick, indem innerhalb einer öffentlichen Diskussion audiophilen Hörern ihr gegenüber Normalhörern erweitertes Hörvermögen als Einbildung abgetan wird, ohne daß man Gelegenheit hätte, durch praktische Demonstrationen seinen Diskussionspartner zu überzeugen.
Denn der besprochene Sachverhalt läßt sich leider nur selbst erfahren und nicht ausdiskutieren.
Meistens werden nämlich vom Diskussionspartner auch noch technische Begründungen für das Gehörte abverlangt, wozu man als Normalhörer selbstverständlich nicht in der Lage ist.
Ganz ärgerlich wird es dann, wenn in einem Forum einem unbefangenen Fragesteller eine die audiophile Realität verzerrende Auskunft ohne Widerspruch als absolute Wahrheit verkauft werden soll (meistens noch in Inanspruchannahme der Gesamtkenntnis physikalischer Zusammenhänge).
Dieses Phänomen ist eigentlich erst durch die weite Verbreitung von Internet und Usenet entstanden, wo buchstäblich Hinz und Kunz, durch keine Sach- oder Fachkenntnis belastet, mittlerweile gleichberechtigt seine subjektive Meinung zu allen Dingen dieser Welt kundtun darf.
Dieser Vorgang an sich ist natürlich im Sinne wirklich demokratischer Meinungsäußerung grundsätzlich zu begrüßen; allerdings kann schnell einmal ein schiefes Bild der Realität dargestellt werden, wenn extreme Äußerungen mangels Rhetorik- oder schriftlichen Ausdrucksfähigkeiten oder der Angst, sich öffentlich zu blamieren, seitens der meistens schweigenden Mitleserschaft unwidersprochen bleiben.
Unterscheiden muß man übrigens auch Newsgroups im Usenet (z.B. de.rec.musik.hifi) und HTML-Foren im Internet. In Internetforen wird in der Regel anonym bzw. mit "nickname" gepostet, so daß hier, wenn der Betreiber des HTML-Forums nicht einschreitet, oft und gerne die "virtuelle Sau rausgelassen wird". Entsprechend niedrig ist dann dort das Niveau.
Im Gegensatz hierzu gilt vor allem im unmoderierten Usenet die "Net(t)ikette"; man postet unter vollem Namen und gültiger Email-Adresse und hält sich freiwillig an bestimmte Verhaltensregeln. Manche Poster geben sogar Arbeitsstelle, Anschrift und Telefonnummer an, so daß auch Kontakte mit ihnen außerhalb des Usenets möglich sind.
Das Diskussionsklima ist deswegen nicht weniger scharf, auch "flame wars" sind möglich, aber das Niveau ist grundsätzlich höher und die Beiträge fundierter.
Natürlich findet man auch hier Leute, die ihre Verhaltenstörungen online ausleben; aber eine sachliche Auseinandersetzung mit extrem kontroversen Themen ist hier - mittlerweile - schon eher möglich und hat in der Vergangenheit auch schon für alle direkt und indirekt Beteiligten durchaus positive Aspekte gehabt.
Allerdings bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel.
Meistens wird ein reiner Erfahrungstausch innerhalb eines Forums oder einer Newsgroup zwischen Hifi-Interessierten von einigen (es sind übrigens über Jahre hinweg immer dieselben, was auf extreme Weiterbildungsresistenz oder zwanghaften Lustgewinn durch das Niedermachen Andersdenkender schließen läßt) mißbraucht, um denjenigen, die ihre Hörerfahrungen miteinander austauschen, pure Einbildung und Autosuggestion in Verbindung mit technischer Ahnungslosigkeit vorzuwerfen.
Über Sinn oder Unsinn solchen Verhaltens kann im übrigen viel spekuliert werden. Wir wollen hier nur einige Aspekte herausgreifen und beleuchten. Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderem "Abstreiter™" beim Überdenken der eigenen Position oder dem Audiophilen, wenn er sich dann wirklich auf eine derartige Diskussion einläßt (die im übrigen meistens sinnlos ist und zu keinem Ergebnis führt (führen kann)), als kleines Argumentationsreservoir.
Zunächst eine Definition der in diesem Zusammenhang meistens abwertend gemeinten Begiffe:
Voodoo:
Langenscheidt: mit Schamanentum, Geisterbeschwörung und ekstatischen Riten verbundener Totenkult in der Karibik.
Esoterik:
Langenscheidt: Lehre, die nur Eingeweihten zugänglich ist.
Beiden in unserem Zusammenhang benutzten Begriffen gemeinsam ist ein Unverständnis für bestimmte Phänomene sowie vor allen Dingen ein gewisses Außen-vor-gelassen-Fühlen seitens "Nicht-Eingeweihter", bzw. "Abstreitern™".
Daraus resultiert dann fast folgerichtig bei fast allen "Abstreitern™" eine hohe Aggressivität in der Argumentation (übrigens ein ganz typisches Merkmal dieser Spezies) und ein fast messianisches Sendungsbewußtsein im Kampf gegen angebliche "Verschwörung der Industrie" zum Zwecke der "Abzockerei" und "bewußten Volksverdummung", um nur einige der benutzten Vokabeln zu zitieren.
Hier wird ein Bild von den Hörern als dumme, träge und ansonsten fremdgesteuerte Masse dargestellt, die zu keiner Differenzierung fähig ist und ansonsten alles kritiklos übernimmt und kauft, was Werbung und Fachzeitung ihnen vorschreiben.
Natürlich geht dieses Argument fast völlig an der Wirklichkeit vorbei. Komponenten oberhalb einer gewissen Qualitäts- und Preisklasse werden in der Regel immer zu Hause in den eigenen vier Wänden ausgetestet und müssen ihre Qualitäten unabhängig von Werbegeschrei und Testrummel im tagtäglichen Betrieb beim Anwender unter Beweis stellen.
Wer allerdings seine Komponenten nur nach Werbung oder Test kauft, ohne sie sich vorher anzuhören, dem ist entweder der Klang egal oder er hat einfach noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Beides sind aber keine Punkte, die man jemandem ernsthaft vorwerfen könnte.
Davon einmal abgesehen, daß die "Industrie", um die es hier wirklich geht, einen verschwindend geringen Markt (keine 5%) bedient, nämlich den qualitätsbewußten Audiophilen, befinden sich die "Abstreiter™" in einer seltsamen Allianz mit der wirklichen Großindustrie, die jedes Jahr neue Billigstware mit angeblichen Verbesserungen in riesigen Stückzahlen verkauft und zusätzlich noch versucht, neue Systeme, die niemand braucht (außer die Industrie und vielleicht der Fachhandel) in den Markt zu drücken.
Hier ist langfristige Haltbarkeit, Qualität und daraus resultierend Zufriedenheit des Kunden nur im Weg, verhindern sie doch, daß alle zwei Jahre etwas Neues verkauft werden kann.
HighEnd-Geräte zeichnen sich im übrigen dadurch aus, daß auch noch nach Jahren Updates und Reparaturen möglich sind (sofern der Hersteller noch existiert).
Es sei hier an dieser Stelle nicht auf die Motive der "Abstreiter™" eingegangen, die vermutlich alle letztendlich im persönlichen Bereich zu suchen sein werden.
Leider fällt einem bislang keine bessere Bezeichnung für sie ein; Technokraten, wie sie oft bezeichnet werden, ist eine unzutreffende Bezeichnung, da die "Abstreiter™" in der Regel über keinerlei technische Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Audiogeräten besitzen, sondern nur von technischem Allgemein-Schulbuchwissen ausgehen können; Hörerfahrung ist bei den "Abstreitern™" bei Nachfrage in der Regel so gut wie auch keine vorhanden, so daß man meistens pauschal von einer das Thema betreffenden globalen Ahnunglosigkeit ausgehen kann. Das macht die Diskussion mit ihnen so schwierig, da sie meistens gar nicht wissen, worum es überhaupt geht.
Vielleicht aber liegen die von ihnen verteufelten Gerätschaften einfach nur außerhalb ihrer finanziellen Reichweite.
Jeder, der sich tagtäglich professionell mit hochwertigem Audio beschäftigt und sich zudem in einer Marktkonkurrenzsituation befindet, wo nur das Optimum zählt, wird automatisch während seiner Arbeit an Grenzen stoßen, wo er mit Schulbuchweisheiten nicht mehr weiterkommt.
Klang ist eben noch nicht meßbar. Wenn die Korrelationen zwischen Hören und Messen nicht mehr eindeutig zuordnungsbar sind, zählt nur noch empirisches Wissen, das aber erst langwierig angeeignet werden will und dann für einen Hersteller unbezahlbar wertvoll ist. Man redet dann nicht ohne Grund von den Leuten mit den goldenen Ohren.
Daher sind die "Abstreiter™" ausnahmlos außerhalb der Audiobranche und auch fast nur im (virtuellen) Internet zu suchen.
Auch wer im Studiobereich arbeitet, ist damit nicht automatisch prädestiniert, kompetent in dieser Angelegenheit mitreden zu können. Weder das technische Equipment im Studio noch die letztendlich erzielten Ergebnisse in Form produzierter Audio-CDs (und nur damit läßt sich von dieser Seite wirkliche Kompetenz nachweisen) lassen in den meisten Fällen den Schluß zu, daß hier an dieser Stelle wirklich auf Qualität geachtet wird.
Gute Aufnahmen sind die Ausnahmen und nicht die Regel, was auf ein gestörtes Verhältnis der verantwortlichen Studioleute zu ihrer durchaus vorhandenen handwerklichen Tradition schließen läßt.
Audiophile, die Kritik an Aufnahmequalität vorbringen, werden als spinnerte Störenfriede betrachtet, die nur den schnellen Massenabsatz dieser mittlerweile Großindustrie behindern und ansonsten eine kleine Minderheit darstellen, auf die Rücksicht zu nehmen nicht lohnt.
Bezeichnenderweise gibt es bei uns so gut wie keine Literatur von seiten der "Abstreiter™" über derartige klangliche Phänomene, während es einiges auf audiophiler Seite zu diesem Thema gibt (siehe Literaturverzeichnis).
Sogenannte wissenschaftliche Erkenntnisse, soweit sie den behandelten Sachverhalt berühren, müssen sich die Frage stellen lassen, unter welchen Umständen und mit welchen technischen Mitteln die meist empirischen Ergebnisse (Statistik) zustande gekommen sind und inwieweit sie auf die audiophile Realität übertragbar sind.
Tausende Probanden ohne absolutes(!) Gehör können auch durch Doppelblindtests nicht widerlegen, daß es Menschen mit dem absoluten Gehör gibt, um einmal ein Beispiel aus einem Nachbarthemenkreis zu nennen.
Die "Abstreiter™"-Aussagen durchlaufen eigentlich immer drei Stufen:
- "Das ist physikalisch unmöglich und nicht messbar, deshalb ist es Einbildung."
- "Grundsätzlich zwar physikalisch möglich, aber im Vergleich zu anderen Fehlern in der Wiedergabekette absolut verschwindend ('Größenordnung!') und deshalb unhörbar und deshalb Einbildung."
- "Ist es im Blindtest bewiesen? Aha, machste nicht, deswegen ist es Einbildung."
Eigentlich könnte man ja deswegen die "Abstreiter™" links liegen lassen und zur audiophilen "Tagesordnung" (sprich Musikhören) übergehen, aber gerade hier im Internet und Usenet führen die "Abstreiter™" in diversen Foren und Newsgroups das große Wort, unterstützt von den üblichen Mitstreitern, die zwar auch nichts von der Sache verstehen, aber immer dabei sind, wenn es um das verbale Einschlagen auf Minderheiten geht.
Das hört sich jetzt polemisch an und ist auch so gemeint. Diese ganze Diskussion ist dermaßen sinnlos und irrational aus der Sicht der "Wissenden" (um mal diese hier nicht ganz unpassende Metapher aus der Esoterik zu benutzen), weil demgegenüber bei den Audiophilen deren nicht weg zu diskutierende alltägliche Erfahrung, und zwar über Jahre hinweg, steht.
Es ist einfach so und das läßt sich auch nicht wegdiskutieren, daß die große Barriere zwischen beiden "Lagern" einerseits der Grad der Hörerfahrung, andererseits die Qualität der Abhöranlage darstellt.
Wer von vornherein unterschiedliche Qualitäten (die leider auch meistens unterschiedliche Preisbereiche beinhalten) der benutzten Geräte bestreitet und für sich einen unvoreingenommenen Test ablehnt, wird auch nie Gelegenheit haben, diese Unterschiede kennenzulernen und entsprechend sein Gehör zu schulen.
Blindtests und schnelle A/B-Umschaltorgien sind zur Auswahl und Bewertung von hochwertigen Komponenten derzeit fast völlig ungeeignet. Zunächst gibt es keine (und wird es auf absehbare Zeit vermutlich auch nicht geben) Umschalteinheit, die ein schnelles und vor allen Dingen rückwirkungsfreies pegelangepaßtes Schalten zulassen würde.
Jedes zusätzlich in die Kette eingeschleifte Bauteil kann potentiell den Klang verändern und u. U. diffizile Klangunterschiede, die in ähnlicher Größenordnung liegen, überdecken. Die Unterschiede würden dadurch nivelliert werden und man würde nichts hören (sic!).
Man denke nur an all die nötigen zusätzlichen Leitungen, Steck- und Relaiskontakte sowie Impedanzwandler, die nach heutiger Erkenntnis sehr wohl einen nicht zu unterschätzenden Klangeinfluß haben.
Blindtests können (wenn überhaupt) höchstens dazu dienen, Unterschiede zwischen verschiedenen Komponenten auszumachen, aber nicht, diese zu bewerten, da hierzu aufgrund der Subjektivität der Quellen und Interaktion zwischen Raum und Geräten, sowie den Geräten untereinander sehr viele verschiedene Tests mit unterschiedlicher Quellen und Gerätekombinationen nötig sind.
Ein Zuordnen von Klangeindrücken zu Geräten ist aus ebengenanntem Grund ebenso so gut wie unmöglich.
Meistens scheitern allerdings die Vergleiche mangels geeigneter Umschaltanlagen (s.o) schon an der absolut gleichen Lautstärke, so daß man sich an dieser Stelle im Kreis dreht.
Oft wird behauptet, daß durch die Kenntnis, welches Gerät gerade spielt, das Hörempfinden mit beeinflußt wird. Das ist unbestritten richtig, allerdings nur, wenn man "Hörempfinden" durch "Auswertung der Höreindrücke" ersetzt. Nur so kann auf zuvor gemachte Erfahrungen zurückgegriffen werden und z.B. ein neues Gerät gezielt mit einer Referenz verglichen werden.
Selbstverständlich haben professionelle Audioentwickler versucht, zeitaufwändige Langzeittests durch verhältnismäßig kurzfristig durchführbare DBT (Doppelblindtests) zu ersetzen. In jeder Entwicklungsphase ist der Faktor Zeit immens wichtig (time is money).
Allerdings verursachen DBT Stress aufgrund des Zwangs zur Konzentration - schon mal keine gute Voraussetzung für optimales analytisches Hören, wie jeder halbwegs geübte Hörer weiß.
Das akustische Kurzzeitgedächtnis des Menschen ist ebenfalls ungeeignet, so daß in allen seriösen Audiofirmen Entscheidungen zugunsten z.B. einer oder einer anderen Schaltungsvariante immer aufgrund von längerfristigen Hörsessions gefällt werden. Zudem ist bekannt, daß sich das Hörempfinden des Menschen kurzfristig leicht "bluffen" lassen kann.
Bei wichtigen Entscheidungen, bei denen u. U. Wohl und Wehe eines Audioherstellers auf dem Spiel steht, wird sich niemand allein auf DBTs verlassen wollen.
DBT sind gut und nützlich, wenn es um wissenschaftliche statistische Reihenuntersuchungen zur Feststellung allgemeiner und tendenzieller hörphysiologischer Phänomene geht.
Das schließt natürlich nicht aus, daß unter Ausnutzung der Unkenntnis obiger Zusammenhänge DBTs benutzt werden, um kommerzielle Vorteile zu erzielen. Z.B. könnte man durch DBT "nachweisen", daß Neuentwicklungen von Mitbewerbern keinen Vorteil bringen, unwirksam sind, und daß es daher keinen Grund gibt, diese in die nähere Kaufauswahl zu ziehen. Dies wird gerne von Herstellern benutzt, die die eine oder andere Entwicklung schlicht verschlafen haben.
Es ist übrigens auch nicht verwunderlich, daß Befürworter der Verwendung von DBT im Audiobereich bzw. die in diesem Zusammenhang von interessierten "Abstreitern™" oft und gern zitierten Quellen von DBT-Resultaten fast immer Anbieter von mehr oder weniger (meistens das letztere) geeigneten Anlagen zur Durchführung von DBT sind.
Es ist Fakt, daß es keine pegelbare Umschaltanlage gibt, die den Klang nicht negativ beeinflußt, und es ist Fakt, daß ohne korrekten Lautstärkeabgleich kein sinnvoller A/B-Test möglich ist.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Schon sehr frühzeitig haben Audioentwickler sowie natürlich potentielle Kunden einen Ausweg aus dieser Misere gesucht. Die einen, weil sie verläßliche Daten für die Entwicklung benötigen, die anderen, weil sie sich vor teuren Fehlinvestionen schützen wollen. Die pompösen Umschaltanlagen, wo alles mit jedem kombiniert werden konnte, sind aber nicht ohne Grund schnell wieder aus den Hörstudios verschwunden. Auch die Anwesenheit von mehreren Lautsprecherboxen im gleichen Raum bleibt nicht ohne Auswirkung auf das Gesamtergebnis. Vor allen Dingen nicht angeschlossen herumstehende Baßreflexboxen beeinflussen aufgrund ihrer Helmholtzresonatoren die Tieftonwiedergabe im Hörraum.
Es gibt leider keine Alternative zu Hörbildung und zum Langtest, der auch "ungebildeten" Hörern schnell ein sicheres Urteil erlaubt (ebensowenig wie es einen Kurs "Absolutes Gehör in 24 Stunden!" geben kann).
Um grobe Fehler festzustellen, benötigt ein geübter Hörer allerdings keinen Blindtest und auch keinen A/B-Vergleich. Instrumentenbauer und Dirigenten können z.B. auch ohne Referenz sehr sichere klangliche Beurteilungen treffen, das gleiche gilt auch für geübte Passivhörer.
Erfahrene Mastering-Ingenieure wie zum Beispiel Bob Katz (Mastering Audio - The Science and the Art, ISBN 0-240-80545-3) testen verschiedene Equalizer- oder sonstige Einstellungen niemals im Sofortvergleich:
"Instant A/B's? With good monitoring, equalization changes of less then 1/2 dB are audible. I believe that instant A/B comparisons deceivingly hide the fact that a subtle change has made, as the change will only be noticed over time."
Die Erfahrung hat gezeigt, daß sich die wirkliche Qualität einer Komponente immer erst im Langzeittest offenbart.
Die Tatsache, daß Audiophile meistens gerne und oft bereit sind, neue Geräte an ihrer Anlage zu testen und gegebenenfalls auch auszuwechseln, ist meistens Ausdruck eines permanenten Überprüfens der eigenen "Position" und nicht Ausdruck von Unsicherheit, höchstens von Neugier.
Ein Punkt zugunsten der "Abstreiter™" soll hier allerdings nicht unerwähnt bleiben:
Die wenigsten von ihnen haben vermutlich in ihrem Leben schon mal eine richtig gute "HighEnd"-Anlage gehört, die ihren Namen auch verdient hat.
Man kann davon ausgehen, daß 80% aller verkauften sog. "HighEnd"-Anlagen in einem suboptimalen Hörraum stehen und zudem ungeschickt kombiniert sind.
Auch ist nicht alles "HighEnd", was sich selbst so bezeichnet. Dieser Begriff hat in der Vergangenheit eine inflationäre Entwicklung genommen, so daß mittlerweile jede halbwegs geschickt kombinierte Mittelklasseanlage sich mit diesem Prädikat schmückt.
Sogar im Fachhandel hört man zuweilen die Aussage: "HighEnd ist unabhängig von der Preisklasse." Das ist natürlich in dieser Pauschalität Unsinn. Niemand kann zaubern, selbst wenn für unterschiedliche Anwendungsfälle durchaus unterschiedlich aufwendige HighEnd-Lösungen benötigt werden (siehe auch FAQ).
Um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen ist einfach ein gewisser Aufwand nötig, der natürlich auch seinen Preis hat. Das schließt natürlich nicht aus, daß auf hohem preislichen Niveau auch "Gurken" produziert werden, oder sich Scharlatane breit machen.
Die Entwicklung hat aber gezeigt, daß solche Phänomene ziemlich schnell vom Markt (der in dieser Hinsicht gnadenlos ist) erkannt und geregelt werden. In dieser Funktion haben sich u. a. auch die vielgeschmähten Fachzeitungen bewährt.
Die Antwort ist sehr einfach: durch Wettbewerb und Kundennachfrage.
Man kann mit ruhigem Gewissen davon ausgehen, daß fast alle Hifi-Geräte nach allen Regeln der Ingenieurskunst (natürlich immer unter Berücksichtigung entsprechender kaufmännischer Aspekte) entwickelt werden und wurden - meßtechnisch einwandfrei und auch ordentlich mechanisch verpackt.
Trotzdem werden und wurden einige Geräte besser verkauft als andere. Bis zu einer gewissen Preisklasse mag das auch am Marketing liegen, aber wenn es um eine größere Summe geht, schaut der Endverbraucher in der Regel schon etwas kritischer hin. Natürlich kommt hier dann noch ein Imagefaktor hinzu, aber dieses Image läßt sich in der Regel vom Hersteller nicht durch Marketing, sondern eher durch Leistung erzeugen.
Vor allem Dingen aber muß das Gerät dem Hörer subjektiv gefallen.
Für den Hersteller, der auf die Wünsche seines Zielpublikums eingehen möchte, ist das Äußere noch das geringste Problem. Bestimmte äußere Merkmale haben sich bei den betreffenden Geräten als Ausdruck von "Wertigkeit" und "Haptik" durchgesetzt und werden folgerichtig von auch von Herstellern, deren Geräte vom Aufwand her eigentlich nicht in die gehobene Kategorie gehören, als Verkaufsmittel eingesetzt.
Mit dem Klang sieht das schon anders aus.
Jeder, der glaubt, daß alle lehrbuchmäßig entwickelten Verstärker oder CD-Player gleich klingen (da ja die untadeligen Messwerte das Hörvermögen des Menschen weit übertreffen), ist herzlich eingeladen, sofern er es kann, selbst Hand anzulegen, eigene Geräte zu entwickeln und diese am Markt anzubieten und damit die Chance zu haben, vielleicht steinreich zu werden.
In dem Augenblick allerdings, wo er sich mit seinen Geräten dem internationalen Wettbewerb stellen muß, kommt meistens die große Ernüchterung. Aus ihm selbst überhaupt nicht nachvollziehbaren Gründen wird es überraschenderweise Leute geben, die andere Geräte seinem eigenen Gerät klanglich vorziehen.
Das ist übrigens regelmäßig auch die erste Erfahrung, die in einem "High-End"-Unternehmen neu eingestellte junge Entwicklungsingenieure machen müssen.
Beim Nachforschen über die offensichtlichen Unterschiede zwischen den "besser" beurteilten Fremdgeräten und eigener Entwicklung stößt man dann selbst mit beliebig hohem Aufwand sehr schnell an die Grenzen der Messtechnik. Für den Entwickler beginnt die technische Grauzone und damit die Stunde der "Goldohren".
Man stellt Vermutungen an und Hypothesen auf. Viele der gesuchten Unterschiede, Eigenschaften oder Effekte werden in bestimmten Schaltungstopologien und Dimensionierungen vermutet. In der Folge überdimensioniert man, um einfach im "sicheren" Bereich zu liegen.
Das alles funktioniert solange nach dem "Try-and Error"-Prinzip, bis der gewünschte "Effekt" eingegrenzt und reproduzierbar gemacht worden ist, bzw. letztendlich das Produkt nach Meinung seiner Entwickler wettbewerbsfähig wird und vielleicht sogar über ein eigenständiges "feature" verfügt.
All dieses Prozedere fordert der Markt. Wenn es allein nach den Wünschen der Hersteller ginge, würde man seine aufwendig entwickelten Geräte bis in alle Ewigkeit weiterproduzieren und gerne auf die Konkurrenz seiner Wettbewerber verzichten.
Realiter aber geht die Entwicklung weiter, es werden reihum neue Gedankenmodelle ausprobiert, einer Aktion des einen Herstellers folgt die Reaktion des anderen Herstellers, entweder als bloße Kopie oder eigene Weiterentwicklung, das Rad (oder die Spirale, das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab) dreht sich weiter. Kurzlebige Marketing-Mätzchen seien hier einmal außen vor gelassen.
Das Ganze nennt man übrigens "technischer Fortschritt". Natürlich gibt es hier wie überall technische "Sackgassen" bzw. Fehlentwicklungen. Ob und zu welchem Zeitpunkt man als Kunde in dieses Karussell einsteigen möchte, liegt im eigenem Ermessen bzw. an der eigenen Zufriedenheit mit seiner eigenen Wiedergabekette.
Und damit sind wir schon beim wichtigstem Punkt des Themas: die subjektive Zufriedenheit des Hörers. Sämtliche Bemühungen der entsprechenden Industrie drehen sich letztendlich um diesen Punkt - den Kampf um die Zufriedenheit des Kunden. Langfristig setzt sich nämlich kein Produkt gegen den Willen der Endverbraucher auf dem Markt durch.
Daß dabei auch Geld verdient werden muß und daß aufwendige, in Handarbeit und im Inland produzierte Kleinserien sehr viel teurer sind als Massenprodukte aus Fernost, mit denen sie unnötigerweise oft verglichen werden, leuchtet gewiß nur sehr schlichten Gemütern nicht ein. Die deutschen High-End-Hersteller, meistens klein- bis mittelständische Betriebe als trauriger Rest der einstmals bedeutenden deutschen Unterhaltungselektronik-Industrie, schaffen hier in Deutschland Arbeitsplätze und bezahlen hier Steuern.
Es ist bezeichnend für die "Abstreiter™", daß diese ihre eigenen Gerätschaften fast ausschließlich aus Fernost beziehen und deren Großindustrie-und-Billiglohnland-Preis (der im übrigen zudem vom gegenseitig ruinösen Wettbewerb geprägt ist) als Messlatte für den Preis von in Europa hergestellten High-End-Komponenten heranziehen. So geht das natürlich nicht.
Zufriedenheit ist im übrigen kein Produkt, das man sich als Hörer kaufen kann, selbst wenn das gerne von der Werbeindustrie suggeriert werden möchte (es sei denn, man begnügt sich mit dem sporadischen und "kick"-weise auftretendem Zustand temporärer Kurz-Zufriedenheit). Langfristige Zufriedenheit will also vom Hörer selbst erarbeitet werden und die ist subjektiv und sieht bei jedem Hörer anders aus. Zudem weiß jeder, daß Zufriedenheit allein nicht an äußeren Dingen oder gar technischen Daten ausmachbar ist. Vielleicht ist dazu sogar ein gewisses Maß an Autosuggestion im positiven Sinn nötig.
Gerade der High-End-Markt ist ein ausgesprochener Luxus-Markt, der auf die Befriedigung sensibelster Bedürfnisse spezialisiert ist. Ob und welche Gerätschaften jemand braucht, um dadurch seine eigene Lebensqualität subjektiv zu verbessern, kann nur der Anwender selbst entscheiden. Als Hersteller kann man nur Angebote machen.
Zu den heutigen "Großstadtmärchen" gehören folgende Aussagen, die oft und gerne von den "Abstreitern™" verbreitet werden:
- alle CD-Player klingen gleich
- alle Verstärker klingen gleich
- elektronische Geräte reagieren nicht auf mechanische Anregungen; spezielle Füße, Racks oder Untersetzer haben keine Wirkung
- alle Kabel klingen gleich, wenn nicht, dann sind Ein- oder Ausgangsparameter der damit verbundenen Geräte ungünstig, oder die Geräte selbst Fehlkonstruktionen
- Netzstörungen haben keine klanglichen Auswirkungen; wenn ja, sind die betreffenden Geräte schlecht konstruiert
- Netzkabel, Netzfilter sowie spezielle Steckdosenleisten haben keine Wirkung
- die mechanische oder chemische Nachbehandlung von CDs (Rand schwärzen, Reinigungsflüssigkeit) hat keinen Einfluss auf den Klang
- die Wiedergabe von Frequenzen oberhalb der Hörgrenze hat keinen Einfluss auf den Klang
- alle Testberichte sind gekauft bzw. die Testredakteure sind bestechlich
- "HighEnd" ist ein bestimmter Klang, der durch spezifische Verfärbungen bewußt hervorgerufen wird
usw. usw.
Die technischen Begründungen für viele o. a. Phänomene finden Sie in unserer FAQ.
Natürlich gibt es darunter einige, wo die Erklärung noch aussteht.
Es gibt aber keine beobachteten Phänomene, die ausdrücklich derzeitigen physikalischen Erkenntnissen widersprechen.
Literaturverzeichnis:
Heinz-Josef Nisius: Hifi hören
Vogel-Verlag 1979, ISBN 3-8023-0611-2
Franz Schöler: High Fidelity für Aufsteiger
Rowohlt-Verlag 1981, ISBN 3-499-17417-0
Bob Katz: Mastering Audio - The Science and the Art
Focal Press 2002, ISBN 0-240-80545-3
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